Wer macht morgen noch Dinge, die übermorgen Vintage sind?

2015-10-11 09.32.45

Wissen Sie, was ich mich frage? Wer macht morgen noch die Dinge, die man übermorgen als Vintage verkaufen oder kaufen kann? Das, weil ich gestern in einer seriösen Nachrichtensendung von einem sog. Experten vernahm, dass die Industriegesellschaft nun beendet und von der Servicegesellschaft abgelöst werde. Das sei sehr gut, denn nun müsse niemand mehr schuften, alles sei ja bald irgendwie und irgendwo aus dem virtuellen Raum mittels Simulation abrufbar. Das sagte er nicht genau so, denn ich bin einerseits alt, so dass ich sowas nicht ganz begreifen mag, andrerseits so lebensweise, dass ich solche Schnöseleien nicht glaube. Leider nützt das nichts, denn diese Leute machen wohl alles kaputt, was es noch an Konkretem und Nützlichem und Sinnvollem und Schönem zu tun und herzustellen gibt. Diese Leute empfehlen nun ebenfalls, das Grundeinkommen für alle einzuführen. Das ist sehr praktisch, denn so müssen sie sich kein Gewissen machen, wenn durch die/ihre Vernichtung von Arbeitsplätzen, die ja nicht mehr „nötig“ sind, massenweise Menschen unglücklich werden. Sie verlieren ihre Jobs, in denen sie durchaus etwas herstellen, wie z.b. Bürsten, Pfannen, etc, also alles, was man braucht.

Man gibt ihnen dann einfach ein monatliches Almosen, das der Staat bereitstellt, der jedoch irgendwann auch verlumpt, denn bekanntlich bezahlen Service-Konzerne wie Google oder Facebook ja nirgendwo Steuern. Apropos Facebook, ich bin schon sehr verwundert wie öffentlich rechtliche Sender ganz selbstverständlich Programminhalte mit dem Spruch: „Das finden Sie auf unserer Facebookseite“ propagieren. Ich will nicht hören, dass eine Firma (die nicht Steuern bezahlt und auch etwas dümmlich daherkommt, inklusive dem Scheff) ganz selbstverständlich als Mit-Bestandteil eines Senders bezeichnet wird. Das ist Produkte Placement oder eher unerlaubte Schleichwerbung. Sind die öffentlich Rechtlichen zu dumm, das zu bemerken. Oder werden sie hintenherum dafür bestochen? Oder beides.

Aber ich wollte ja darüber reden, dass Menschen Dinge herstellen, das gerne tun, man braucht nur die zufriedenen Gesichter derjenigen anzusehen, die von ihrem Gewerbe oder Handwerk erzählen. In dem sie etwas erschaffen, uns damit Freude machen. Ja, chrampfen ist anstrengend, nicht immer lustig. Doch wenn ich mir die Lemminge ansehe, die morgens schon wie tot in ihre Service-Konzerne rasen, unterwegs ihre kindlichen Accessoires in die Kita werfen, dann scheinen mir die Prognosen von Silicon Valley Trotteln und WissenschaftlerInnen, dernen Hände man ansieht, dass sie noch nie im Leben im Dreck oder Spühlwasser gewühlt haben, als sehr bedrohlich. Wollen Sie in einer Welt leben, in der es nur noch Service und Dienstleistung, was immer das sein mag, statt Handfestem gibt, leben? Ich nicht.

Mir fiel nämlich plötzlich ein, dass es dann ja auch nichts mehr geben wird, das von Hand zu Hand weitergereicht werden kann. Etwa gut eingelaufene Schuhe, ein schöner Tisch, eine Uhr, eine Tasche, von Mama handgeschriebene und ausprobierte Kuchenrezepte, Kehrbesen. Die Sendungen bei BBC, in der die Leidenschaft zu Vintage gezeigt wird, gibt es dann nicht mehr, weil es nichts mehr gibt. Es gibt dann nur noch Bits & Bytes und all diese Schnösel, die erst noch so Scheisse aussehen wie jener Silicon Valley Nerd. Das ist mir überhaupt aufgefallen, ich habe noch nie einen Behaupter oder Arbeitsplatzvernichter gesehen, der sympathisch aussah. Der glücklich wirkte. Ich glaube, die sind bloss neidisch auf all jene, auf uns, die noch gerne von der Hand, mit der Hand arbeiten. Sie möchten uns entfernen, bieten uns dafür das Grundeinkommen an, das sie aber selber nicht mitfinanzieren wollen. Ich sehe das als wirtschaftskriminell und unethisch an. Ich glaube nicht, dass ich das will, ich will keine Welt, in der es eine Abteilung gibt, die nichts mehr schaffen darf und eine, die diese Kaputtmacherei fabriziert hat. Bloss, wie aufhalten? Also da fällt mir grad der Song von Ton, Steine, Scherben ein: Macht kaputt, was uns kaputt macht. Leider bin ich Pazifistin, und so strafe ich Service-Trendlöli mit Nichtbeachtung – und schreibe weiterhin echte Bücher, die Ihre Kinder dann auf einem Flohmarkt, falls es sowas noch geben wird, als Vintage-Books feilbieten können.

www.vollreif.ch – da kriegen Sie sie noch druckfrisch.

 

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